ALZEY/KIGALI. Viel später hätten Stefanie Rogles und ihre kleine Reisegruppe von der
Alzeyer Gustav-Heinemann-Schule wirklich nicht fliegen dürfen. Am 13. März ging der
Flieger aus Kigali zurück nach Frankfurt, eine Woche später galt in Ruanda schon der
totale Shutdown. Die beiden Lehrer und ihre vier Schülerinnen fuhren buchstäblich über
Stock und Stein raus aufs Land zur Partnerschule, tourten durch die faszinierende Natur,
machten eine Safari mit, konnten sich frei bewegen. Eine Woche später waren die Grenzen
dicht, auch zwischen den Regionen im Landesinneren.
„In Ruanda hat man sehr früh sehr weitsichtig reagiert“, erzählt Rogles. Vor jedem noch so
kleinen Geschäft standen schon Anfang März Seifenspender und Waschbecken. Die Bilanz
Anfang Mai: 260 Corona-Erkrankte wurden unter den zwölf Millionen Einwohnern
identifiziert – und kein einziger Toter. Der Erfolg eines rigorosen Shutdown, mit
Ausgangssperren außer für Arztbesuche und Einkäufe, flächendeckender Heimarbeit, mit
wohl noch bis September geschlossenen Schulen, der Stilllegung von Sport, Freizeit,
ÖPNV. Nicht mal Spaziergänge waren mehr erlaubt, und man durfte seinen eigenen
Distrikt nicht verlassen.
Andererseits bezahlt die Regierung, wie Michael Nieden vom Partnerschaftsverein
Rheinland-Pfalz/Ruanda erzählt, Hunderte Tests am Tag und kauft bei den Landwirten, die
ihre Waren nicht mehr exportieren können, Lebensmittel für soziale Zwecke auf. „Unsere
Mitglieder sind alle in Quarantäne und unterliegen Ausgehbeschränkungen“, berichtete
Christine Müller, die Geschäftsführerin des Fördervereins Ruanda Alzey-Worms, aus der
Zeit des Shutdowns. Auch die Partnerschule, die Rogles wenige Wochen zuvor noch
querfeldein mit dem Motorrad bereist hatte, konnte nur noch telefonisch erreicht werden.
Ein Dutzend Einrichtungen in dem mittelafrikanischen Land betreut der Förderverein. „Die
Leute sind arm“, betont Müller. „Sie können sich Masken nähen, in unseren Berufsschulen
gibt es auch Schneidereien. Aber es gibt fast keine ärztliche Versorgung auf dem Land.“
Infektionsherde bleiben womöglich unerkannt, aber sie bleiben auch lokal begrenzt. Von
schlimm verlaufenden Krankheitsfällen haben die rund zwei Dutzend Kollegen aus dem
Koordinationsbüro der Partnerschaft in der Hauptstadt aber nichts mitbekommen.
Dass die Schulen nun still gelegt sind, ist ein großes Problem – ist das Thema Bildung
gerade für die ärmeren afrikanischen Staaten doch ein besonders zukunftsweisendes.
Vielen Menschen war es auch nicht mehr möglich, ihren täglichen Lebensunterhalt zu
verdienen, mit dem sie sich und ihre Familien ernähren. Die Partnerschaft bringt, vor allem
über die große Spendenbereitschaft in Rheinland-Pfalz, jährlich einige Millionen Euro für
Ruanda. Doch der Ausfall des Ruanda-Laufs der Grundschule Eich, die einstweilen
verlegte Aktion Tagwerk – viele Tausende Euro Spendensumme entgehen dem
Förderverein so. Geld, das zur Unterstützung der Schulen dringend benötigt wird. „Aktuell
bauen wir die Stromversorgung an der Partnerschule der Gustav-Heinemann-Schule“,
erzählt Müller, „das kostet 49 000 Euro, davon bezahlen wir 20 000 Euro. Aber so viel Geld
muss erst einmal reinkommen.“ Hinzu kommt das Schulgeld, wenn die Schulen wieder
offen sind. Auch hier wird Spendengeld dringend benötigt.
Stefanie Rogles wollte eigentlich nach ihrer Rückkehr einen Ruanda-Abend machen, Fotos
zeigen, Eindrücke schildern. Auch ein Besuch aus der Partnerschule war und ist weiterhin
geplant, nur der Zeitpunkt ist völlig offen. Die Konsequenz, mit der das Land das CoronaVirus im Zaum hält, und die Duldsamkeit, mit der die Bevölkerung offenbar mitzieht,
beeindruckt auch aus der Ferne. „Im Nachbarland wütete lange Ebola, dadurch war man in
Ruanda ganz anders auf das Thema fokussiert“, sagt Rogles, „wir haben uns dort sehr
sicher gefühlt.“ Erst als bei der Rückkehr in Frankfurt keinerlei Infektionskontrollen
stattfanden und nicht mal nachgefragt wurde, wunderten sich Lehrerin und Schülerinnen.
Von Torben Schröder