15 Jahre ist es jetzt her, seit sie sich mit einem unheilbaren Virus angesteckt habe, sagt Christine Müller. Doch es ist kein Krankheitserreger, der die ehemalige Landtagsabgeordnete befallen hat, sondern die tiefe Liebe zu einem Land und – vor allem zu seinen Menschen. Christine Müller ist infiziert mit dem Ruanda-Virus.
Zum siebten Mal seit dem Jahr 2000 ist sie nun in das afrikanische Land gereist, das sie als stellvertretende Vorsitzende und Geschäftsführerin des „Fördervereins Partnerschaft Ruanda Alzey-Worms“ schon seit vielen Jahren gemeinsam mit ihren Mitstreitern unterstützt. Als Teil einer 15-köpfigen Delegation aus Rheinland-Pfalz verbrachten Christine Müller und ihr Mann Joachim acht Tage in Ruanda, um sich vor Ort ein Bild verschiedener Projekte zu machen, die dort mit Mitteln aus Deutschland gefördert werden. Mit dabei war auch der Staatssekretär des Innenministeriums, Günter Kern.
15 000 Euro investiert
Besonders interessant für das rührige Ehepaar aus Eich waren dabei die Fortschritte an einer Einrichtung für rund 90 behinderte Kinder im Distrikt Ngororero im Nordwesten des Landes. Hier sollen junge Menschen zwischen fünf und 16 Jahren auf ein normales Leben vorbereitet werden. Obwohl die Einrichtung namens „Ineza Kabaya“ schon seit zehn Jahren existiert, verfügte sie lange Zeit nicht über eigene Räume. Das hat sich nun geändert: Für insgesamt 65 000 Euro – davon 15 000 Euro vom Förderverein, der Rest vom Land Rheinland-Pfalz – wurden dort ein Raum für Unterricht und Physiotherapie, Schlafsäle, Büros, Wasch- und Duschgelegenheiten, Toiletten und zwei Regenwasserzisternen gebaut. „Als wir zum letzten Mal im November zu Besuch waren, war noch nichts von dem Gebäude zu sehen“, erinnert sich Joachim Müller. Nun ist das Haus fast fertig, die Einweihung erlebten die deutschen Gäste hautnah mit. „Dass es so schnell geht, und auch die Finanzierung so schnell klappt, hätten wir nicht gedacht“, sagt Christine Müller.
Dass sich ein afrikanisches Land mit dem Thema Inklusion auseinandersetzt, mag für den Außenstehenden verwunderlich klingen, für eine Ruanda-Expertin jedoch nicht. „Vor 15 Jahren noch haben die Menschen dort ihre behinderten Kinder in den Hütten versteckt, aber heute sind sie in Ruanda fast so weit wie wir“, berichtet Müller von zahlreichen Einrichtungen und Organisationen, die sich um Menschen mit Beeinträchtigungen kümmern. Generell gehe die Entwicklung in Ruanda im Vergleich zu vielen anderen afrikanischen Staaten sehr gut voran, Korruption gebe es so gut wie gar nicht. „Ruanda ist ein gutes Beispiel, wie man als Staat arbeiten kann, sodass die Leute nicht flüchten müssen“, sagt Christine Müller. Trotzdem gebe es natürlich noch jede Menge zu tun, Armut spiele insbesondere in den abgelegeneren Regionen nach wie vor eine Rolle. „Die Leute dort leben von dem, was sie anbauen. Die Landbevölkerung muss unbedingt bei der wirtschaftlichen Entwicklung mitgenommen werden.“ Viele Menschen dort litten unter Fehlernährung, weil es unter anderem an Fleisch und damit an tierischem Eiweiß mangele, weiß Müller.
Ein besonderes Geschenk hatte die Rheinhessin bei ihrem jüngsten Ruanda-Besuch übrigens für die Schüler einer Berufsschule, die ebenfalls vom Förderverein unterstützt wird, dabei: Trikots des FSV Saulheim, Fußbälle und Luftpumpen. Im Gegenzug durfte Müller handgemachte Tischdeckchen und Taschen mit nach Hause nehmen.
Keine Routine
Auch wenn sie schon häufig zu Besuch in Ruanda war, ist von Routine bei ihr keine Spur. Immer wieder erliegt die Eicherin der Versuchung, bei Autofahrten einfach anzuhalten, um mit den Menschen am Straßenrand zu sprechen. Die Freundlichkeit und Herzlichkeit der Einwohner sei überwältigend, sagt sie. Doch die Faszination geht nicht nur von einer Seite aus: Wenn Ehepaar Müller im Hinterland unterwegs ist, kann es vorkommen, dass sie von Kindern mit offenem Mund bestaunt werden, sind sie doch die ersten weißen Menschen, die sie in ihrem Leben zu sehen bekommen.
Einer der Höhepunkte ihrer aktuellen Reise war der Besuch in der Kunstschule Nyundo, der einzigen Schule dieser Art in Ruanda. Zu Ehren der deutschen Gäste spielten junge ruandische Musiker ein 45-minütiges Konzert, ein Erlebnis, das Christine Müller so schnell nicht vergessen wird. Und eines, das so gar nicht dabei geholfen haben dürfte, sie von ihrem Ruanda-Virus zu heilen. Die Vermutung liegt nahe, dass sie das auch gar nicht will.