Mitgliederrundbrief 2011 des Landesvorsitzenden Dr. Auernheimer
  
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder,
wir haben ein erfolgreiches Jahr in der Partnerschaft hinter uns gebracht.
 


Die Arbeit in der Partnerschaft mit Ruanda hat zugenommen. Trotz mancher Kritik an der ruandischen Regierung ist in der Partnerschaft zwischen Rheinland-Pfalz und Ruanda vieles erreicht worden. Der Partnerschaftsverein wurde neu organisiert, die Schwerpunkte Bildung und Ausbildung werden um neue Themen erweitert: um Aufbau von Beschäftigung, Existenzgründungen und Zusammenarbeit von Unternehmen und Institutionen. Die Partnerschaft braucht viele Akteure, die mitmachen. Die Partnerschaft Rheinland-Pfalz / Ruanda ist ein Vermittler zwischen Europa und Afrika. Dem Chancenkontinent Afrika gehört die Zukunft.
Zwischen zwei Aufenthalten in Ruanda möchte ich Sie über aktuelle Entwicklungen und besonders über das letzte Jahr informieren.
Beim Blick zurück ist es sicher richtig, an das zu erinnern, was wir uns für 2010 vorgenommen hatten:

1. Wir wollten Bildung und Ausbildung verbessern. Aufgrund der Umstellung von der sechs- auf die neunjährige Schulpflicht entstand ein erheblicher Bedarf an zusätzlichen Schulräumen. Wichtiger als die Zahl der neuen Klassenräume war hier auch die fachliche Unterstützung, die von unseren Projekten ausgeht. Wir haben mehr gebaut, gleichzeitig feststellen müssen, dass Ruanda in dieser Aufgabe schneller handeln muss, als es uns möglich ist. Rund 6000 Klassenräume müssen gebaut werden. Wir sind dabei, uns auf die neue Situation einzustellen. Neue Vorgaben für den kinderfreundlichen Schulbau machen es auf den ersten Blick nicht leichter. Dennoch: Ruandas eigene Kräfte sind stärker. Internationale Unterstützung wie z. B. durch die EU für die Photovoltaik-Ausstattung auf Schuldächern werden wirksam. Wir werden uns in Zukunft besonders der fachlichen Unterstützung zuwenden. Die Wallcharts, die wir inzwischen als Lehrmaterial liefern, kommen gut an. Es sind die Zeichen der neuen inhaltlichen Zusammenarbeit mit Schulen. Sehr erfolgreich auch das Programm "One Tree per Child". Eine Idee aus der Partnerschaft, die bestens geeignet ist, die ökologischen Ziele mit den Schulen zu realisieren. Ein Baum kostet ca. 0,33 €; drei Bäume erhält man für 1,00 €.
 
2. Wir wollten die Projekte Ökologischer Landwirtschaft weiterführen
Aufgrund der mittlerweile zwanzigjährigen Forschungsarbeit im Agroforstbereich verfügt die Partnerschaft über sehr große Erfahrungen im Bereich der nachhaltigen Landwirtschaft. Wir wollten uns dafür einsetzen, die Beratung der kleinbäuerlichen Betriebe zu verstärken. Das Projekt zum Schutz des Nebelwaldes konnte 2010 endlich beginnen. Aber die Kontinuität in der Weiterentwicklung der kleinen ökologischen Landwirtschaft droht uns inzwischen verloren zu gehen. Das Problem taucht inzwischen öfter auf. Wir haben nicht immer die Ressourcen genau dort
 
3. Im Rahmen der verbesserten Versorgung mit Strom und Wasser sollten Projekte auf den Hügeln angestoßen und umgesetzt werden. Wir stehen noch am Anfang. Die neuen Lösungen haben wir noch nicht in der notwendigen Zahl gefunden. Ein großer Schritt ist ein von der EU vergebenes Projekt, Photovoltaik auf 300 Schuldächern zu installieren. Die Bundesregierung hat 60 Mio. € für den Ausbau des Stromnetzes zur Verfügung gestellt.
 
4. Begegnungen zwischen den Menschen durch Tourismus ermöglichen
Ruanda braucht Arbeitsplätze. Die Dienstleistungsbranche Tourismus bietet qualifizierte Arbeitsplätze. Durch einen Ausbau eines sanften Tourismus ergeben sich zahlreiche Ausbildungs- und Berufschancen. Wir haben das ganze Jahr gebraucht, ein dem bisherigen O.S.K.A.R.R. vergleichbares Angebot anzustoßen. Jetzt kann bei den Mitgliedern, Freunden und Bekannten wieder dafür geworben werden.
 
5. Die kulturellen Begegnungen müssen entdeckt werden
Die Kultur darf bei unseren Bestrebungen nicht vergessen werden, hieß es vor einem Jahr. Sie ist die Grundlage für gegenseitige Anerkennung und für gleiche Augenhöhe. Wir wollten Ideen und ihre kreativen Anwender zusammenbringen. Wir stehen noch am Anfang in diesem Gebiet. Das Speyerer Ziegenfest hat ein erfolgreiches Beispiel mit einer Ausstellung von ruandischen Künstlern gegeben. In Alzey wurde der Teppich von Barbara Beran ausgestellt. Seit letztem Jahr ist es ganz einfach, den Teppich für eine Ausstellung auszuleihen.
Insgesamt haben wir im PPR e.V. – so schätze ich das ein – etwa ein gutes Drittel von dem erreicht, was wir uns vorgenommen haben. Manche von unseren Mitgliedern sind da erfolgreicher gewesen. Dennoch bin ich zufrieden. Das Gesamtergebnis zeigt nach oben.
An der Stelle will ich wiederholen, was ich bei den offiziellen Gesprächen im Oktober 2010 festgestellt habe:
 1. Wir wollen wachsen: Wir müssen die Partnerschaft erweitern, besonders junge Menschen für die gemeinsame Entwicklung gewinnen, aber auch Institutionen für Aufgaben in ihrem jeweiligen Fachgebiet interessieren, bei denen sie mit ruandischen Partnern in Projekten zusammenarbeiten, wir wollen Unternehmen und Institutionen für Ruanda interessieren. Das Stichwort Zusammenarbeit in der Wirtschaft wurde von Ruanda in die Gemeinsame Kommission eingebracht. Die Wirtschaftsinitiative beginnt mit erfolgreichen Schritten. Dazu gehört auch, dass wir die zukünftigen ruandischen Experten, die an den Hochschulen in Kaiserslautern ausgebildet werden, mit rheinland-pfälzischen Unternehmen zusammenführen.
 2. Wir wollen mehr Qualität in der Arbeit erreichen. Was ich schon oben hinsichtlich der Ergebnissicherung feststellte, hat noch einen anderen Aspekt. Wir sollten unsere Ansprüche an Partner und Projekte nicht jedem kleinen Hindernis anpassen.
 3. Wir konzentrieren unsere Arbeit auf die Eckpfeiler der Entwicklung, die Ruanda genannt hat: Arbeit schaffen und Beschäftigung sichern, Sozialer Schutz und gute Regierungspraxis.
 4. Die Milleniumsziele und die Ziele der Vision 2020 werden von uns übernommen und sollen noch bewusster zur gemeinsamen Sache werden.
 5. Wir wollen auf den Feldern der Partnerschaft eine breite Zuständigkeit aufbauen und Vermittler der Interessen der Partnerschaft und damit auch des Partnerlandes in Deutschland und in Europa sein.
Die Delegationsreise unter Leitung von Minister Karl Peter Bruch im Oktober 2010 war ein Erfolg für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer. So hatte ich den Eindruck. Ich bin auch der Meinung, dass die Impulse und Anstöße der öffentlichen Diskussion, die von dieser Reise ausgingen, richtig sind. Es ist gelungen, in den Gesprächen mit den Regierungsstellen die Anliegen der Partnerschaft vorzutragen und durch die Besuche in den Projekten deren Fortschritt zu erleben. Dennoch ist bei mir auch der Eindruck entstanden, dass die Partnerschaft Zielvereinbarungen mit den Partnern anstreben sollte, um wirkungsvoller zu sein.
Wir müssen die öffentliche Diskussion führen; offen für alle Seiten, aber auch selbstbewusst. Der Vorstand hat darüber in der November-Sitzung lange diskutiert und schließlich festgestellt:
Der Vorstand stimmt darin überein, dass der Partnerschaftsverein besonders den Vorrang der guten Zusammenarbeit mit Ruanda und der gemeinsamen Entwicklung (siehe Neuwieder Erklärung) in den Vordergrund stellt.
Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die zahlreichen ehrenamtlich Tätigen in Ruanda sollen sicher sein, dass sie am richtigen Platz stehen und ihre Arbeit gebraucht wird, weil sie die Situation der Menschen in Ruanda verbessert.
Im Übrigen muss der Verein, wenn er Vermittler nach allen Seiten sein will, Gesprächspartner für alle Seiten sein und bleiben.
Am 10. März 2011 findet unsere Mitgliederversammlung mit Neuwahl des Vorstands statt. Seinen Vorschlag zu dieser Wahl wird der Vorstand in seiner Februarsitzung beraten. Ich bin sicher, dass wir auf Kontinuität setzen.
Eine wichtige Entscheidung der Mitgliederversammlung wird die geplante Gründung der Stiftung Rheinland-pfälzisch/ruandisches Jugendwerk sein. Die Mitgliederversammlung entscheidet über die Verwendung von 40 T€, die aus dem O.S.K.A.R.R.-Projekt für die Stiftung eingesetzt werden sollen, und schließlich über die Errichtung des Stiftungsgeschäfts durch den Partnerschaftsverein.
Am 13. und 14. November 2010 fand auf Einladung der Jugendbeauftragten das erste größere Treffen der Jugendinitiative in Kaiserslautern statt. Die Hauptfrage für die Jugendlichen war, was für sie Partnerschaft bedeutet. In den Mittelpunkt wurde der Austausch zwischen den Menschen in Ruanda und Rheinland-Pfalz gestellt. Hier sieht man die Grundlage für eine finanzielle und ideelle Unterstützung. Die neuen Vorstellungen von einem zukünftigen Ruanda seien in Deutschland noch nicht bekannt, heißt es, dies gelte jedoch auch in umgekehrter Richtung.
Ein Ziel der Jugendorganisation soll die Gründung regionaler Arbeitskreise für junge Menschen sein. Diese sollen dann PR-Arbeit für die Partnerschaft vor allem in Schulen leisten. Mittelfristig könne ein Netzwerk mit Ansprechpartnern für die Aktiven vor Ort entstehen.
Als Name der Jugendorganisation wurde ejo-connect bestimmt. Ejo bedeutet auf Kinyarwanda sowohl gestern als auch morgen. Ejo-connect will Ruanda-Interessierte zusammen bringen. Zielgruppe sind Schüler, Studenten und ehemalige Freiwillige. Bis zur Mitgliederversammlung will sich die Gruppe auch offiziell mit ihrem Programm vorstellen. Man wird ein Diskussionspapier über neue Wege und neue Trends der Partnerschaft vorlegen.
Was sonst noch geschah, werden Sie in unserem Geschäftsbericht finden, aber einige Informationen will ich gleich weitergeben.
Der „Wirtschaftstag Ruanda“ fand am 28. September in der Investitions- und Strukturbank (ISB) in Mainz auf Einladung von Staatssekretär Prof. Dr. Siegfried Englert vom Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau statt. Botschafterin Christine Nkulikiyinka gab einen umfassenden Bericht über die wirtschaftliche Entwicklung in Ruanda. Es waren vor allem Vertreterinnen und Vertreter der Handwerks- sowie der Industrie- und Handelskammern anwesend. Das Interesse der rheinland-pfälzischen Unternehmen an einem wirtschaftlichen Engagement in Ruanda zu wecken, war das Ziel der Veranstaltung. Hier ist noch erhebliche Überzeugungs- und Aufklärungsarbeit zu leisten. Es wurden Absprachen zur weiteren Zusammenarbeit getroffen. Die Bemühungen, für die ruandischen Studierenden in Kaiserslautern Möglichkeiten des Praktikums oder der Durchführung von Semester- oder Diplomarbeiten in rheinland-pfälzischen Unternehmen herzustellen, sollen auch zur Aktivierung sonstiger Unternehmenskontakte genutzt werden.
Weil es auch Diskussionen über unser Engagement in Wirtschaftsbeziehungen gab möchte ich feststellen, dass wir in beiden Feldern arbeiten müssen. Die Graswurzelpartnerschaft braucht eine große Schwester, die Entwicklung der sozialen und wirtschaftlichen Situation.
 
Dann gab es noch:

  • Herr Martin Jäger, der bisherige Baukoordinator, hat zum 30. November 2010 seine Tätigkeit für den Partnerschaftsverein gekündigt. Am 8. November 2010 fand bei der Arbeitsgemeinschaft Entwicklungshilfe e.V. (AGEH) in Köln ein Abschlussgespräch mit Herrn Jäger statt.
  • Im Koordinationsbüro wird es ab 2011 einige Änderungen geben. Der Bereich Sozial- und Mikroprojekte wird zusammengelegt und zukünftig von Espérance Muteteli bearbeitet. Félicité Nyaranshuti wird ab Januar als Sachbearbeiterin für die Schülerpatenschaften arbeiten.
  • Nach intensiver Diskussion (u.a. Einführung der Vielsprachigkeit der Internetpräsentation, Einbindung der einzelnen Gemeinden, Probleme des Datenschutzes bei Facebook, Einsatz der Weltwärts-Freiwilligen usw.) wurde der Beschluss einstimmig gefasst, dass versucht werden soll, das Internet stärker zu nutzen, die Homepage des Vereins zu modernisieren und dazu die Vorschläge von Frau Richter, einer ehemaligen Praktikantin, aufzugreifen und diese dann Schritt für Schritt umzusetzen. Der Internetauftritt des Koordinationsbüros in Kigali soll entsprechend dem Vorschlag der PraktikantInnen gestaltet werden.
  • Vor einigen Wochen wurde der erste Newsletter verschickt. Dieses Medium soll zukünftig noch stärker genutzt werden. Herr Mayer bittet darum, für den Newsletter zu werben. Auf Nachfrage wurde mitgeteilt, dass der Newsletter bereits rund 1400 Adressen erreicht.
  • Seit Anfang September gibt es auch einen Auftritt der Partnerschaft bei Facebook. Bisher haben sich 127 Personen als FreundInnen eingetragen.
  • Es gibt neue Anforderungen der ruandischen Regierung im Bereich Schulbau: „Child Friendly Schools Infrastructure Standards and Guidelines“. 2009 erlassen, aber erst jetzt für uns bekannt geworden. Auf Grund dieser Vorgaben wurden vor kurzem zwei Schulbaustellen von der jeweiligen Distriktverwaltung gestoppt. Herr Nieden wird über eine Ãœbergangslösung für die bereits begonnenen oder schon planfertigen Projekte mit der Regierung verhandeln. Zukünftig ist bei unseren Schulbauten eine andere Architektur/Bauweise (Ständerbauweise in Stahlbeton, Zwischendecken und anderes) anzuwenden. Dies wird mit Mehrkosten von etwa 50 Prozent verbunden sein.
  • Auf Rückfrage der Geschäftsstelle wurde vom Finanzamt mitgeteilt, dass die Prüfung der Finanzsituation des Vereins, die aufgrund der Presseberichte vom Oktober 2009 von der Oberfinanzdirektion Koblenz veranlasst wurde, ohne weitere Feststellungen abgeschlossen sei. Einen Schlussbericht wird es laut Aussage des zuständigen Sachbearbeiters des FA Mainz-Mitte jedoch nicht geben. Es wurde im Ãœbrigen von dort zugesagt, schnellstmöglich eine neue Freistellungsbescheinigung auszustellen.
     
    Mit Blick auf 2012 und dann 30 Jahre Partnerschaft werde ich dem Vorstand vorschlagen, eine größere Publikation und eine Ausstellung über Ruanda vorzubereiten. Ich denke, dass wir über die Partnerschaft in den letzten Jahren nicht alles berichten können. Das Buch soll Bestandsaufnahme sein und auch unsere Visionen darstellen nach dem Vorbild von Horst Köhlers Taschenbuch „Schicksal Afrika“. Wir blicken voraus auf ein Jahrzehnt wichtiger Entwicklungsschritte. Für Anregungen und auch für Hinweise auf mögliche Beiträge bin ich schon jetzt dankbar. Es soll neben dem, was der eigenen Standortbestimmung dient, vor allem unser Partnerland und dann auch die Jugend zu Wort kommen.
    Wir sind das Pilotprojekt der Zusammenarbeit zwischen den Ländern der Bundesrepublik Deutschland und Afrika. Deshalb sollen möglichst viele Leute von unseren Erfahrungen lernen können.
    Für Ihr Engagement und für Ihre Unterstützung danke ich Ihnen namens des Vorstands und des Beirats, ich danke dem Geschäftsführer, Herrn Uwe Mayer und Herrn Michael Nieden, dem Direktor des Koordinationsbüros in Kigali und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Kigali und Mainz, ich danke Minister Karl Peter Bruch und Staatssekretär Roger Lewentz für den politischen Rückhalt und dem Ruanda-Referat mit Frau Hall an der Spitze für die gute Zusammenarbeit. Und ich danke unseren Partnern in Ruanda und besonders I. E. Frau Botschafterin Christine Nkulikyinka für die intensive Zusammenarbeit bei der Vermittlung der Partnerschaftsidee.
    Ein neues Arbeitsjahr hat begonnen. Es wird einiges an Veränderungen mit sich bringen. Michael Nieden geht nach Mainz, Herr Mayer wird die Geschäftsführung von Kigali aus weiterführen.

Unsere Ziele stehen fest: Wir wollen noch besser werden und viele Menschen für die Partnerschaft gewinnen; in diesem Sinne verbleibe ich

Ihr
Richard Auernheimer